1  Einführung in den SB Psyche

Veröffentlichungsdatum

01/02/2025

1.1 Organisatorisches zum SB

Alle Unterlagen zu den Vorlesungen und zu den Seminaren finden sich im Lernraum der RWTH. Relevant für die Vor- und Nachbereitung der Vorlesungen sowie für die Klausur sind:

  • Vorlesungsfolien und Seminarunterlagen
  • Skript: https://sgauggel.quarto.pub/sb-psyche

1.2 Überblick über die Inhalte des Systemblocks

In Abbildung 1.1 sind die verschiedenen Themenbereiche des Systemblocks dargestellt.

G SB Systemblock Psyche grund Grundlagen SB->grund affekt Affektive Störungen SB->affekt schizo Schizophrenien SB->schizo alko Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit SB->alko adhs Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung SB->adhs thema Suizidalität SB->thema psych Psychische Störungen grund->psych sympt1 Symptomatik affekt->sympt1 schizo->sympt1 alko->sympt1 adhs->sympt1 suizid1 Epidemiologie thema->suizid1 histo historische Entwicklungen psych->histo diath Diathese- Stress-Modell histo->diath diag1 klassifikatorische und dimensionale Diagnostik sympt1->diag1 stör1 Störungsmodelle (Ätiologie) diag1->stör1 inter1 psychopharmakologische und psychotherapeutische Behandlung stör1->inter1 suizid2 Ätiologie suizid1->suizid2 suizid3 Diagnostik suizid2->suizid3 suizid4 Prävention suizid3->suizid4
Abbildung 1.1: Themen der Vorlesungen im Systemblock Psyche

Neben der Einführung (Grundlagen) und dem Thema Suizidalität (Thementag) werden vier wichtige psychische Störungen in den Vorlesungen behandelt. Bei jeder dieser psychischen Störung werden zuerst anhand von Fallbeispielen (Patientendemonstration, Video) die Symptomatik und die zentralen Merkmale der Psychopathologie der Patienten beschrieben. Danach geht es um

  • das diagnostische Vorgehen (Welche diagnostischen Kriterien sind erfüllt? Wie kann die Diagnose gesichert werden?),
  • ätiologische Überlegungen (Wie ist die psychische Störunge entstanden? Wodurch wird sie aufrechterhalten?) und abschließend um
  • psychopharmakologische und psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten.

Aufgrund der begrenzten Zeit, die dem SB Psyche für die Lehre zur Verfügung steht, beschränken wir uns auf vier wichtige psychische Störungen. Es ist nicht möglich, einen Überblick über alle im ICD-10 aufgeführten psychischen Störungen (siehe Abbildung 1.3 ) zu geben. Anhand der ausgewählten psychischen Störungen soll exemplarisch ein Einblick in das Thema “Psychische Störungen” gegeben werden.

Eine weitere Vertiefung findet im Blockpraktikum und ggfs. nach dem Studium in der Weiterbildung zur Fachärztin/zum Facharzt für

statt.

G aff Affektive Störungen glied Gliederung aff->glied schiz Schizophrenie schiz->glied adhs Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung adhs->glied alk Alkoholabhängigkeit alk->glied sym Symptomatik glied->sym klas Klassifikation und Diagnostik glied->klas ätio Ätiologie - neurobiologische Überlegungen    - psycho-soziale Überlegungen glied->ätio ther Behandlung - psychopharmakologisch    - psychotherapeutisch glied->ther
Abbildung 1.2: Gliederung der Vorlesungen bei den verschiedenen psychischen Störungen

1.3 Prüfung

Um den Leistungsnachweis für den Systemblock Psyche zu erwerben, muss eine schriftliche Prüfung (Dauer 60 Minten) erfolgreich (60% richtige Antworten) absolviert werden. In der Klausur werden 40 Fragen gestellt. Bei den Fragen handelt es sich überwiegend um MC-Fragen, wobei auch einige wenige offene bzw. Lückentextfragen vorkommen.

Hier einige MC-Beispielfragen:

Welcher genetische Faktor wird als bedeutender Risikofaktor für die Ätiologie der Schizophrenie betrachtet?

  1. Monosomie
  2. Trisomie
  3. X-Chromosom-Deletion
  4. Zwillingsstudien legen eine genetische Veranlagung nahe
  5. Epigenetische Mutationen

Was kann zur Verringerung der Stigmatisierung psychisch Kranker beitragen?

  1. Medienberichterstattung, die Sensationslust bedient
  2. Öffentliche Aufklärungskampagnen über psychische Gesundheit
  3. Beibehaltung von Stereotypen und Vorurteilen
  4. Reduzierung des Zugangs zu psychischer Gesundheitsversorgung
  5. Gezielte Diskriminierung am Arbeitsplatz

Welche Rolle spielt Bildung bei der Bekämpfung von Stigmatisierung psychisch Kranker?

  1. Bildung verstärkt Vorurteile
  2. Bildung kann das Bewusstsein schärfen und Stereotypen abbauen
  3. Bildung hat keinen Einfluss auf Stigmatisierung
  4. Nur formale Bildung wirkt stigmatisierungsmindernd
  5. Bildung fördert ausschließlich Stigmatisierung

Was ist ein häufiges Ergebnis der Stigmatisierung psychisch Kranker?

  1. Verbesserter Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten
  2. Erhöhtes Selbstwertgefühl bei den Betroffenen
  3. Verzögerter oder vermiedener Behandlungsbeginn
  4. Förderung sozialer Inklusion und Teilhabe
  5. Geringeres Risiko für soziale Isolation

Welcher Neurotransmitter ist bei der Ätiologie der Schizophrenie von besonderem Interesse?

  1. Serotonin
  2. Acetylcholin
  3. GABA (Gamma-Aminobuttersäure)
  4. Dopamin
  5. Noradrenalin

Welcher pränatale Faktor ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Schizophrenie verbunden?

  1. Mütterliche Rauchgewohnheiten
  2. Einnahme von Folsäure während der Schwangerschaft
  3. Fieber in der frühen Schwangerschaft
  4. Exzessiver Verzehr von Omega-3-Fettsäuren
  5. Vitamin-D-Mangel in der Schwangerschaft

Welcher psychosoziale Faktor ist mit einem erhöhten Depressionsrisiko verbunden?

  1. Starke soziale Unterstützung
  2. Positive Selbstwahrnehmung
  3. Geringer Stress am Arbeitsplatz
  4. Frühe Kindheitstraumata
  5. Hohe finanzielle Stabilität

Welches sind am ehesten charakteristische Denkfehler nach dem kognitiven Modell der Depression von Beck? Wählen Sie 3 Antworten!

  1. Alles-oder-Nichts-Denken
  2. Alogie
  3. Emotionale Beweisführung
  4. Meta-Worrying
  5. Reframing
  6. Übergeneralisierung

In einer Untersuchung soll die Wirkung eines neuen Medikaments im Vergleich zu einem Placebo getestet werden. Dazu wird jedem Patienten sowohl das neue Medikament als auch das Placebo je eine Woche lang gegeben. Es wird ausgelost, ob erst das Placebo oder erst das Medikament gegen wird. Zwischen beiden Behandlungen wird eine Pause von einer Woche gemacht. Am Ende jeder Behandlungswoche soll jeder Patient einen Fragebogen ausfüllen, auf dessen Basis der Behandlungserfolg ausgewertet werden soll. Um welche der folgenden Studientypen handelt es sich bei dieser Untersuchung am ehesten?

  1. Beobachtende prospektive Studie
  2. Experiment
  3. Kohortenstudie
  4. Longitudinalstudie
  5. Retrospektive Erhebung

Welches diagnostische Handbuch wird häufig von Fachleuten verwendet, um Kriterien für psychische Störungen zu definieren?

  1. Handbuch der Psychologie (HdP)
  2. Diagnostischer und Statistischer Leitfaden für psychische Störungen (DSM)
  3. Klassifikation psychischer Erkrankungen (KPE)
  4. ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten)
  5. Diagnostischer Handkommentar für Psychopathologien (DHfP)

Was ist ein häufig verwendetes Instrument für strukturierte klinische Interviews zur Diagnose psychischer Störungen?

  1. Beck-Depressions-Inventar (BDI)
  2. MMPI-2 (Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2)
  3. Zung-Depressions-Skala (ZDS)
  4. SCID (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV)
  5. Hamilton-Depressions-Skala (HAMD)

Welcher antike griechische Arzt wird oft als einer der ersten betrachtet, der psychische Störungen als medizinische Krankheiten ansah?

  1. Galenos
  2. Avicenna
  3. Hippokrates
  4. Aristotle
  5. Herophilus

Welcher Ansatz zur Behandlung psychischer Störungen war im Mittelalter häufig verbreitet und beinhaltete religiöse Rituale und Exorzismen?

  1. Humoralpathologie
  2. Phrenologie
  3. Hexerei-Modell
  4. Besessenheitsmodell
  5. Animismus

Wer setzte sich im 19. Jahrhundert für die Reform des psychiatrischen Systems und die humanere Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen ein?

  1. Dorthea Dix
  2. Sigmund Freud
  3. Philippe Pinel
  4. William Tuke
  5. Emil Kraepelin

Hier noch einige Beispielfragen zur Vertiefung der Lehrinhalte:

  • Was versteht man unter (experimenteller) Psychopathologie?
  • Nennen Sie wichtige Etappen im Verständnis psychischer Störungen.
  • Was versteht man unter einer operationalisierten klassifikatorischen Diagnostik psychischer Störungen?
  • Nennen Sie vier Störungsgruppen des Kap. V des ICD-10.
  • Nennen Sie je drei Argumente für und gegen eine klassifikatorische Diagnostik psychischer Störungen.
  • Welche Gründe sprechen für den Einsatz von Fragebögen bei der Diagnostik psychischer Störungen?
  • Welche psychische Störung hat die höchste 12-Monats-Prävalenzrate?
  • Nennen Sie zwei mögliche Gründe für den Anstieg der Krankschreibungen aufgrund psychischer Störungen.
  • Erklären Sie die Abkürzung DALYs und geben Sie an, in welchem Zusammenhang diese Abkürzung verwendet wird.
  • Welchen Beitrag hat Wilhelm Griesinger (1817-1868) bei der Erforschung psychischer Störungen geleistet?
  • Welche Auswirkungen hatte der Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Psychiatrie-Reform (1975) auf die Versorgung von Patienten mit einer psychischen Störung?

1.4 Lernziele

Mit den Vorlesungen und dem Seminar des SB Psyche werden folgende Lernziele verfolgt:

  • Sie sollen die Bedeutung psycho-sozialer Faktoren bei Entstehung und Verlauf von psychischen Störungen erläutern können.
  • Sie sollen ein Verständnis für Psychodiagnostik und Diagnostik psychischer Störungen erwerben und das praktische Vorgehen beschreiben können.
  • Sie sollen Behandlungsmöglichkeiten (insb. Psychotherapie) für vier wichtige psychische Störungen kennen lernen und das therapeutische Vorgehen begründen und beschreiben können.
  • Sie sollen Wissen über die Ätiologie von vier wichtigen psychische Störungen (Depression, Schizophrenie, ADHS, Alkoholabhängigkeit) erwerben und Angaben zur Ätiologie machen können.

1.5 Psychische Störungen

Eine psychische Störung, auch als psychische Erkrankung oder psychische Krankheit bezeichnet, ist ein Zustand, der durch signifikante Abweichungen im Denken, Fühlen, Verhalten oder einer Kombination dieser Bereiche gekennzeichnet ist.

Psychische Störungen beeinträchtigen das emotionale Wohlbefinden, das normale soziale Funktionieren und können das tägliche Leben erheblich beeinflussen. Man spricht dann von schwerwiegenden psychosozialen Funktionseinschränkungen.

Definition einer psychischen Störung
  • Normabweichung im Erleben und Verhalten

      1. B. „seit vier Wochen täglich niedergeschlagen und traurig” oder „wäscht sich ca. 35x am Tag die Hände
  • Psychosoziale Beeinträchtigung (inkl. Fremd- und Selbstgefährdung)

    • Die Normabweichung führt im Alltag der Betroffenen zu funktionellen und/oder sozialen Problemen (z. B. „kann Kinder nicht mehr versorgen”, „kommt zu spät zur Arbeit”, „hat viele und schnelle Beziehungsabbrüche “, „Schulverweis”).
  • Leiden

    • Da nicht alle von einer psychischen Störung betroffenen Personen unter der Störung leiden, spielt das Leiden der Betroffenen nur eine “sekundäre” bzw. ergänzende Rolle.

Bitte beachten Sie, dass nicht alle Personen mit einer psychischen Störung unter den Folgen einer solchen leiden. Beispielsweise fühlen sich Personen mit einer manischen Störung voller Energie und Tatendrang. Ihre Stimmung ist euphorisch und sie können in der akuten Phase der Erkrankung nicht erkennen, dass ihr Zustand “krankhaft” ist. Dieses Phänomen des Nicht-Erkennens einer Krankheit und deren Folgen wird als Anosognosie bezeichnet.

In Abbildung 1.3 sind die aktuell im ICD-10 Kapitel V aufgeführten psychischen Störungen abgebildet.

Abbildung 1.3: Übersicht über die im ICD-10 definierten psychischen Störungen

Die WHO, die für das ICD verantwortlich ist, hat Anfang 2020 die neue Version des ICD (d. h. das ICD-11) verabschiedet. Beim neuen ICD-11 Kapitel “Psychische Störungen, Verhaltensstörungen oder neuronale Entwicklungsstörungen” ergeben sich gegenüber dem ICD-10 Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen) eine ganze Reihe von Änderungen (Gaebel et al., 2020).

Beim ICD-10 und auch dem DSM-5 handelt es sich um eine operationalisierte klassifikatorische Diagnostik (“messbar gemachte Klasseneinteilung”). Diagnosen werden anhand von festgelegten Kriterien gestellt. Diese Kriterien umfassen eine genau festgelegte Anzahl und Kombination von Symptomen, die für eine bestimmte psychische Störung charakteristisch sind.

Kriterien sind die Art der Symptome, deren Dauer, Intensität und Ausprägung sowie die damit einhergehenden psychosozialen Funktionseinschränkungen. Hinzu kommt, dass jedes Symptom genau definiert ist, um sicherzustellen, dass verschiedene Kliniker zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen. Dies erfolgt durch detaillierte Beschreibungen von Verhaltensweisen, Emotionen, kognitiven und körperlichen Prozessen.

Diagnosen

Wird eine Diagnosen vergeben, gilt es zu beachten, dass das nur dann erfolgen sollte, wenn die Patientin/der Patient die diagnostischen Kriterien erfüllen. Ausserdem sollten wir uns bewusst sein, dass es eigentlich korrekter wäre, zu schreiben, dass die Patientin/der Patient die Kriterien für eine bestimmte psychische Störung erfüllt. Eine solche differenzierte Sicht soll verhindern, dass eine Diagnose automatisch als „Ding“ wahrgenommen (Reifikation) wird, obwohl sie eigentlich ein Bündel von Symptomen ist, das aus subjektiven Erfahrungen und Beobachtungen entsteht. Psychische Diagnosen haben keine objektive Realitäten, sondern stellen Konstrukte dar. Dies bedeutet, dass sie keine feststehenden, naturgegebenen Entitäten sind, sondern von Menschen entwickelt wurden, um bestimmte Muster von Verhaltensweisen, Emotionen oder Gedanken zu beschreiben und einzuordnen. Dies macht sie jedoch nicht weniger nützlich oder real für die klinische Praxis. Der Begriff „Konstrukt“ weist vielmehr darauf hin, dass diese Diagnosen auf Vereinbarungen und Interpretationen beruhen, die von wissenschaftlichen, kulturellen und historischen Kontexten beeinflusst werden. Obwohl Diagnosen Konstrukte sind, haben sie reale Auswirkungen. Die Erfahrungen, die sie beschreiben (wie Angst, Depression oder psychotische Episoden), sind tatsächlich vorhanden und können erhebliches Leiden verursachen.

Die operationalisierte klassifikatorische Diagnostik wird kontinuierlich weiterentwickelt (daher auch das jetzt verabschiedete ICD-11), um sowohl den Fortschritten in der Forschung als auch den Bedenken hinsichtlich der Reliabilität, Validität und Kultursensibilität gerecht zu werden. Sie bietet die Grundlage für eine einheitliche Kommunikation zwischen Fachleuten im Gesundheitswesen, Forschern und anderen Akteuren im Bereich der psychischen Gesundheit.

ICD-11

Das ICD-11 wurde Anfang 2022 von der WHO verabschiedet. Die Staaten, die der WHO beigetreten sind, haben jetzt fünf Jahre Zeit, um das ICD-11 in nationales Recht zu verankern. Obwohl das aktuell in Deutschland noch nicht passiert ist, kann das ICD-11 schon jetzt benutzt werden.

1.6 Bedeutung psychischer Störungen

Psychische Störungen spielen eine bedeutende Rolle im Gesundheitswesen, da sie weitreichende Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden, die soziale Funktionsfähigkeit und die Gesellschaft insgesamt haben. Hier sind einige wichtige Aspekte, die die Bedeutung psychischer Störungen im Gesundheitswesen unterstreichen:

  1. Prävalenz: Psychische Störungen sind weit verbreitet. Millionen von Menschen weltweit sind von verschiedenen psychischen Gesundheitsproblemen betroffen, von Angstzuständen und Depressionen bis hin zu schwerwiegenderen Erkrankungen wie bipolaren Störungen, Schizophrenie oder Demenz.
  2. Individuelles Leiden: Psychische Störungen können erhebliches persönliches Leiden verursachen. Sie beeinflussen die Lebensqualität der Betroffenen, indem sie ihre Fähigkeit beeinträchtigen, alltägliche Aufgaben zu bewältigen, Beziehungen aufrechtzuerhalten und am Arbeitsplatz erfolgreich zu sein.
  3. Gesellschaftliche Auswirkungen: Psychische Störungen haben nicht nur individuelle Auswirkungen, sondern auch erhebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Konsequenzen. Sie können zu Arbeitsplatzproblemen, Frühberentung, sozialer Isolation und anderen gesellschaftlichen Herausforderungen führen.
  4. Kosten für das Gesundheitssystem: Die Behandlung psychischer Störungen kann teuer sein, sowohl in Bezug auf medizinische Versorgung als auch durch die indirekten Kosten wie Produktivitätsverluste am Arbeitsplatz und Rehabilitation.
  5. Komorbidität: Psychische Störungen gehen oft mit anderen Gesundheitsproblemen einher, was die Behandlung komplexer macht. Zum Beispiel können Menschen mit Depressionen auch an chronischen körperlichen Erkrankungen leiden.
  6. Stigmatisierung: Trotz Fortschritten im Verständnis psychischer Gesundheit gibt es immer noch Stigmatisierung und Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Störungen. Dies kann den Zugang zur Behandlung erschweren und die Bereitschaft der Betroffenen, Hilfe zu suchen, beeinträchtigen.

Die Bedeutung psychischer Störungen kann anhand verschiedener Aspekte und Kennzahlen herausgestellt werden. Eine dieser Kennzahlen sind die Disability Adjusted Life Years (DALYs):

DALYs ist eine Maßeinheit, die vor allem in der Gesundheitspolitik und Epidemiologie verwendet wird, um die gesundheitliche Belastung einer bestimmten Krankheit oder eines Gesundheitszustands auf die Bevölkerung zu quantifizieren. DALYs kombinieren Informationen über den Verlust an Lebensqualität aufgrund von Behinderungen (Years Lived with Disability, YLD) und den vorzeitigen Tod (Years of Life Lost, YLL) aufgrund der Krankheit oder des Gesundheitszustands.

Die Formel für die Berechnung von DALYs lautet:

\[ \mathrm{DALYs = YLD + YLL} \]

  1. Years Lived with Disability (YLD): Hier werden die Jahre bestimmt, die Menschen aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten leben, wobei die Behinderung den Grad der Beeinträchtigung berücksichtigt.
  2. Years of Life Lost (YLL): Hier werden die Jahre bestimmt, die aufgrund von vorzeitigem Tod verloren gehen. Es berücksichtigt das Alter, in dem der Tod eingetreten ist, und vergleicht es mit der Lebenserwartung.

Überblick über die Zusammensetzung der Disability-Adjusted Life Years (DALYs); aus Public Health England (2015); https://assets.publishing.service.gov.uk

DALYs bieten eine Möglichkeit, die Krankheitslast zu quantifizieren und verschiedene Gesundheitszustände oder Krankheiten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung zu vergleichen. Diese Maßeinheit wird oft verwendet, um Prioritäten für die öffentliche Gesundheit festzulegen, Ressourcen zuzuweisen und Gesundheitspolitik zu gestalten. Es ermöglicht eine vergleichende Bewertung der Belastung verschiedener Gesundheitsprobleme und erleichtert die Entscheidungsfindung im Gesundheitswesen.

In Abbildung 1.4 sind die DALYs der wichtigsten Erkrankungen aufgeführt. Mit der Depressive Störung, den Angststörungen, dem Drogen- und Alkoholmißbrauch, der Schizophrenie und der Bipolare Störung finden sich sechs psychische Störungen unter den 18 Erkrankungen mit den größten Auswirkungen auf die DALYs (Vos et al., 2012).

Abbildung 1.4: Übersicht über Erkrankungen und deren DALYs (aus Vos et al., 2012)

Die (ökonomische) Bedeutung psychischer Störungen kann über folgende Aspekte dokumentiert werden:

  • Direkte Kosten der Gesundheitsversorgung: Dies umfasst Ausgaben für die Diagnose, Behandlung und Betreuung von Menschen mit psychischen Störungen. Dazu gehören Arztkosten, Medikamente, stationäre Aufenthalte und ambulante Behandlungen.
  • Arbeitsplatzbezogene Kosten: Psychische Störungen können zu erhöhtem Krankenstand, Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung führen. Die damit verbundenen Kosten können durch den Produktivitätsverlust aufgrund von Fehlzeiten, verringerte Arbeitsleistung oder Ersatzkosten für temporäre oder neue Mitarbeiter entstehen.
  • Bildungs- und Schulungsressourcen: Psychische Störungen können die Bildungs- und Schulungsressourcen beeinträchtigen, da Betroffene möglicherweise Schwierigkeiten haben, ihre beruflichen oder schulischen Verpflichtungen zu erfüllen. Hierbei können Kosten für spezielle Schulungsmaßnahmen oder Nachhilfe entstehen.
  • Soziale Dienstleistungen: Die Unterstützung von Menschen mit psychischen Störungen erfordert oft soziale Dienstleistungen und Unterstützungssysteme, die finanzielle Ressourcen erfordern. Dazu gehören Rehabilitationsprogramme, psychosoziale Betreuung und Unterstützung für Angehörige.
  • Kriminalitätskosten: Psychische Störungen können mit einem erhöhten Risiko für kriminelles Verhalten verbunden sein. Dies führt zu Kosten im Strafjustizsystem, einschließlich Festnahmen, Gerichtsverfahren und Inhaftierung.
  • Forschung und Entwicklung: Investitionen in die Forschung und Entwicklung von Therapien, Medikamenten und Interventionen für psychische Störungen sind ebenfalls Teil der ökonomischen Bewertung.
  • Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen: Psychische Störungen können auch auf volkswirtschaftlicher Ebene beträchtliche Auswirkungen haben. Ein gesünderes Arbeitskräftepotential kann zu höherer Produktivität und Wirtschaftswachstum führen.

Beispielhaft für die arbeitsplatzbezogenen Kosten psychischer Störungen sind in Abbildung 1.5 die Fehltage und Krankheitsfälle aufgrund psychischer Störungen von 1997 bis 2016 aufgeführt.

Abbildung 1.5: Entwicklung der Anzahl der Fehltage und Krankheitsfälle aufgrund einer psychischen Störung von 1997 bis 2016 (siehe https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/72732/Psychische-Erkrankungen-Fehltage-erreichen-Hoechststand

Anhand der Abbildung 1.5 wird deutlich, dass es im Verlauf von 20 Jahren zu einer erheblichen Zunahme an AU-Tagen und AU-Fällen aufgrund psychischer Störungen gekommen ist. Entsprechend gestiegen sind die arbeitsplatzbezogenen Kosten aufgrund psychischer Störungen.

Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin betrugen die Produktionsausfallkosten und der Ausfall an Bruttowertschöpfung aufgrund von Arbeitsunfähigkeitstagen für psychische Störungen im Jahr 2021 ca. 123,3 Milionen Euro. Die Produktionsausfallkosten lagen bei 15,8 Milliarden. Bei den Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes, die Krankheitsgruppe mit den gravierenden Folgekosten, betrugen die Kosten für die Arbeitsunfähigkeitstage 160,7 Millionen Euro und die Produktionsausfallkosten 20,5 Milliarden Euro.

1.7 Historisches

Es gibt viele wichtige Meilenstein im Umgang und Verständnis psychischer Störungen (Hoff, 2008). Nachfolgend sind einige ausgewählte Ereignisse und Entwicklungen aufgeführt:

  1. Humoralpathologie (5. Jahrhundert v. Chr.): Hippokrates und Galen gelten als die ersten, die psychische Störungen als medizinische Krankheiten betrachteten. Hippocrates prägte den Begriff “Melancholie”.
  2. Mittelalterliche Ansichten (5. bis 15. Jahrhundert): Während des Mittelalters wurden psychische Störungen oft als Zeichen von Hexerei oder Besessenheit betrachtet. Die Behandlung umfasste oft religiöse Rituale und Exorzismen.
  3. Entwicklung der Psychiatrie im 18. Jahrhundert: In der Aufklärung begannen einige Mediziner, psychische Störungen als medizinische Probleme zu betrachten. Philippe Pinel in Frankreich und William Tuke in England trugen zur humaneren Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in klinischen Einrichtungen bei. Einige Länder begannen Patienten mit psychischen Problemen von Kriminellen zu trennen. Dies führte zur Entstehung spezialisierter Einrichtungen für die Behandlung psychisch Kranker. Insgesamt entstand zunehmend ein differenzierteres Bewusstsein für die Behandlung und Betreuung psychisch Kranker in der Gesellschaft.
  4. Klassifikationssyteme (spätes 19. und frühes 20. Jahrhundert): Im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelte Kraepelin ein umfassendes Klassifikationssystem für psychische Störungen. Seine Arbeit legte den Grundstein für die moderne Klassifikation psychischer Störungen. Im gleichen Zeitraum entwickelte Freud die Psychoanalyse als theoretischen und therapeutischen Ansatz zur Erforschung des Unbewussten und zur Behandlung psychischer Störungen. Wichtige Personen, neben Emil Kraepelin (1856-1926), in der Gründungszeit der modernen Psychiatrie sind u.a.: Eugen Bleuler (1857-1939), Wilhelm Griesinger (1817-1868).
  5. Biologische Grundlagen (20. Jahrhundert): Fortschritte in der Psychopharmakologie führten zu einem besseren Verständnis der biologischen Grundlagen psychischer Störungen. Die Einführung von Psychopharmaka wie Lithium, Antidepressiva und Antipsychotika revolutionierte die Behandlung von Patienten mit bestimmten psychischen Störung (Robinson, 2018).
  6. Einführung des DSM (1952): Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) wurde erstmals vom American Psychiatric Association veröffentlicht und entwickelte sich zu einem international anerkannten diagnostischen Handbuch für psychische Störungen.
  7. Entstigmatisierung und Gemeindepsychiatrie (ab den 1960er Jahren): Eine Bewegung zur Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen und zur Förderung der Gemeindepsychiatrie entstand. Die Gemeindepsychiatrie betonte die Integration von Menschen mit psychischen Störungen in die Gemeinschaft und die Vermeidung von Institutionalisierung.
  8. Der Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland (Psychiatrie-Enquete) wurde 1975 fertiggestellt (Söhner et al., 2017). In dem Bericht wurden schwerwiegende Mängel bei der Versorgung psychisch Kranker offenbart. In der Folgezeit kam es zu einer grundlegenden Verbesserung der Versorgung (z. B. ambulante vor stationärer Behandlung, Verkleinerung der Großkliniken, gemeindenahe Versorgung).
  9. Neurobiologische-neurowissenschaftliche Fortschritte (ab den 1990er Jahren): Fortschritte in der neurobiologischen Forschung, einschließlich der Bildgebung wie fMRI und PET-Scans, ermöglichen tiefere Einblicke in die Funktionsweise des Gehirns, auch bei Patienten mit psychischen Störungen. Neben der Bildgebung entstand auch das Gebiet der Molekularen Psychiatrie, das sich mit der Identifizierung genetischer Faktoren bei psychischen Störungen, der Epigenetik, der Pharmakogenetik und der Neuroplastizität beschäftigt.
  10. DSM-5 (2013): Die neueste Ausgabe des DSM, das DSM-5, wurde veröffentlicht und berücksichtigt Fortschritte in der Forschung und Klassifikation psychischer Störungen. Das DSM-5 betont jetzt u.a. stärker dimensionale Ansätze, die es ermöglichen, die Schwere und Ausprägung von Symptomen zu erfassen.
  11. ICD-11 (2024): Die ICD-11 wurde von der WHO verabschiedet. Sie enthält eine verbesserte Klassifizierung psychischer Störungen und bietet substanzielle Aktualisierungen in Bezug auf psychische Gesundheit. Es gibt neue Kategorien und Unterkategorien, die auf aktueller Forschung und klinischer Praxis basieren. ICD-11 und DSM-5 nähern sich stärker an. Auch das ICD-11 verwendet vermehrt dimensionale diagnostische Ansätze (z. B. bei der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen).

1.8 Diathese-Stress-Modell

Das Diathese-Stress-Modell ist ein theoretisches Konzept, mit dem versucht wird, zu erklären, wie psychische Störungen entstehen (Zubin & Spring, 1977). Es postuliert, dass die Entwicklung psychischer Erkrankungen das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen dispositionellen Anfälligkeiten (Diathese, Vulnerabilität) und belastenden Umweltfaktoren oder Stressoren ist.

Hier sind die grundlegenden Komponenten des Diathese-Stress-Modells:

  • Diathese (Anfälligkeit): Diese Komponente bezieht sich auf Faktoren, die eine Person anfälliger für die Entwicklung einer psychischen Störung machen. Das können genetische Veranlagungen oder neurobiologische Merkmale sein, aber auch frühe Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsmerkmale (z. B. emotionale Labilität, Schüchternheit) und kognitive Verarbeitungsstile (z. B. negative Denkmuster, katastrophisierendes Denken).
  • Stressoren (Belastende Faktoren): Die Stressoren repräsentieren die Umweltfaktoren oder Lebensereignisse, die auf eine Person im Laufe des Lebens einwirken und als Auslöser für die Manifestation einer psychischen Störung dienen können. Stressoren können unterschiedlicher Natur sein, darunter traumatische Ereignisse, Verluste/Trennungen, zwischenmenschliche Konflikte, Überforderung am Arbeitsplatz, Krankheiten/Gesundheitsprobleme, Diskriminierungen, Einsamkeit/soziale Isolation etc.
  • Wechselwirkung zwischen Diathese und Stress: Das Modell betont, dass die Wechselwirkung zwischen der individuellen Anfälligkeit (Diathese) und den belastenden Umweltfaktoren (Stressoren) entscheidend ist. Eine Person mit einer höheren Diathese kann weniger Stress benötigen, um eine psychische Störung zu entwickeln, während jemand mit geringerer Anfälligkeit möglicherweise mehr belastende Ereignisse benötigt, um psychische Probleme zu bekommen.
  • Schwelle für das Auftreten einer psychischen Störung: Das Diathese-Stress-Modell legt nahe, dass es eine (hypothetische) Schwelle gibt, die überschritten werden muss, damit eine psychische Störung manifest wird. Diese Schwelle kann individuell variieren. Einige Menschen können resilienter (widerstandsfähiger) gegenüber Stressoren sein und benötigen möglicherweise eine höhere Diathese, um eine psychische Störung zu entwickeln.

Das Diathese-Stress-Modell ist ein theoretisches Konzept, das biologische, genetische, psychologische und soziale Faktoren berücksichtigt. Es erklärt, warum nicht alle Menschen, die belastenden Lebensereignissen ausgesetzt sind, zwangsläufig eine psychische Störung entwickeln. Die Variationen in der individuellen Anfälligkeit und die Art der erlebten Stressoren sind entscheidende Faktoren für die Entstehung von psychischen Störungen (siehe Abbildung 1.6).

Abbildung 1.6: Das Stress-Eimer-Modell

Das Stress-Eimer Modell von Brabban & Turkington (2002) veranschaulicht die Zusammenhänge der verschiedenen Elemente im Diathese-Stress-Modell.

Der “Eimer” steht für die Fähigkeit einer Person, mit Stress umzugehen. Genau wie ein physischer Eimer hat er ein begrenztes Fassungsvermögen. Diese Kapazität variiert von Person zu Person und wird durch Faktoren wie Widerstandsfähigkeit, Bewältigungsstrategien, Unterstützungssysteme und allgemeine psychische Gesundheit beeinflusst.

Das hereinfliessende Wasser symbolisiert die verschiedenen Stressquellen im Leben einer Person. Stressoren können alles sein, was negative Emotionen verursacht (z. B. arbeitsbezogene Probleme, Beziehungsprobleme, finanzielle Sorgen, gesundheitliche Probleme). Die Art und Weise, wie wir eine Situation interpretieren und bewerten, bestimmt unsere emotionale und physiologische Reaktion auf Stress.

Das Abflussventil steht für externe und interne Ressourcen. Ressourcen sind die Mittel und Werkzeuge, die einer Person zur Verfügung stehen, um seine Ziel im Leben zu erreichen, aber auch um Stress (Distress) zu bewältigen. Dazu können bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Optimismus), Bewältigungsmechanismen (Coping-Strategien), soziale Unterstützung, gesunde Gewohnheiten (z. B. Hobbies), Entspannungstechniken und Problemlösungsfähigkeiten gehören.

Wenn das Wasser (d. h. der Distress) im Eimer die Bewältigungsressourcen einer Person übersteigt, führt dies zu einem Überlaufen. Es wird eine “hypothetische Stressschwelle” überschritten. Dieser Überlauf äußert sich in verstärkter Angst, Depression, Reizbarkeit oder anderen psychischen Problemen. Es kann auch zu körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Verspannungen, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten etc. führen.

1.9 Arbeitsmodell der Psyche

In Abbildung 1.7 ist ein Arbeitsmodell der Psyche dargestellt (modifiziert nach Branch & Willson, 2023). Das Modell stellt die Verarbeitung von Informationen, die Bewertung dieser Informationen durch vorhandenes Wissen (Konzepte, Schemata), die Emotionsentstehung und -regulation, menschliche Bedürfnisse und die Wechselwirkung mit der Umwelt in den Mittelpunkt (Stichwort: bio-psycho-sozial).

Abbildung 1.7: Arbeitsmodell der Psyche: Die innere Welt in Abhängig von Auslösern (A), Bewertungen (B) und Konsequenzen (C)

Das vorgestellte Arbeitsmodell der Psyche ist vereinfacht und vernachlässigt die Vielzahl an psychischen Prozessen (z. B. Arbeitsgedächtnis, Handlungskontrolle, Aufmerksamkeit, Sprache, Selbstwahrnehmung, Emotionsregulation), sozialen, und kulturellen Aspekte, die für zielgerichtete Verhalten im Alltag notwendig sind. Auch werden neurobiologische Aspekte nicht berücksichtigt.

Nichtsdestotrotz ist das vorgestellte Arbeitsmodell eine gute erste Annäherung mit praktischem Nutzen zur Erklärung der Entstehung psychischer Probleme (z. B. soziale Ängste). Es betont vor allem die Bewertungsprozesse im menschlichen Denken, die entscheidend sind für die Art und Weise, wie wir Informationen verarbeiten, Entscheidungen treffen und auf unsere Umgebung reagieren. Diese Prozesse ermöglichen es uns, Werte, Bedeutungen und Relevanz den verschiedenen Informationen, Ereignisse oder Situationen zuzuweisen und zielgerichtet zu handeln. Natürlich spielen hier Emotionen und Motive noch eine wichtige Rolle.

1.10 Verständnisfragen

  1. Definieren Sie “psychische Störung”.
  2. Wann gilt ein Verhalten als normabweichend? Welche Norm liegt hier zugrunde.
  3. Warum ist Leiden bei der Definition einer psychischen Störung kein zentrales Kriterium?
  4. Was würde es für Konsquenzen mit sich bringen, wenn Leiden zentral wäre.
  5. Was versteht man unter dem Fachbegriff “Anosognosie”?
  6. Was versteht man unter einer operationalisierten klassifikatorischen Diagnostik?
  7. Welche Fakten bzw. Aspekte sprechen für die große Bedeutung psychischer Störungen im Gesundheitswesen?
  8. Erklären Sie Disability Adjusted Life Years (DALYs).
  9. Was gehört zu den direkten Kosten der Gesundheitsvorsorge?
  10. Welche gesundheitspolitischen Konsequenzen ergeben sich aus den steigenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten, die durch psychische Störungen verursacht werden?
  11. Wieviele AU-Tage gabe es seit 2016 laut DAK-Gesundheitsreport 2016?
  12. Nennen Sie wichtige Meilensteine in der Historie psychischer Störungen. Wie haben sich die Konzepte und Definitionen von psychischen Störungen im 19. und 20. Jahrhundert im Kontext wissenschaftlicher Fortschritte und gesellschaftlicher Veränderungen entwickelt?
  13. Welche Rolle spielten die Entwicklungen der Psychiatrie als eigenständige medizinische Disziplin im 19. Jahrhundert für die Behandlung und Wahrnehmung psychischer Störungen?
  14. Wie trugen die Entwicklungen der Psychopharmakologie in der Mitte des 20. Jahrhunderts zur Entstigmatisierung und Behandlung psychischer Störungen bei?
  15. Welchen Beitrag haben Kraeplin und Bleuler bei der Diagnostik psychischer Störungen geliefert? Welche Konsequenzen hatte der Bericht der Psychiatrie-Enquete (1975)?
  16. Inwiefern haben gesetzliche und ethische Reformen im Bereich der Psychiatrie, wie die De-Institutionalisierung und die Etablierung von Patientenrechten, die Behandlung und das Verständnis psychischer Störungen im 20. Jahrhundert geprägt?
  17. Wofür stehen die Abkürzungen ICD und DSM?
  18. Erläutern Sie das Diathese-Stress-Modell an einem Beispiel.
  19. In welcher Weise können unterschiedliche Arten von Stressoren (z. B. akuter Stress, chronischer Stress, traumatische Ereignisse) spezifische psychische Störungen hervorrufen oder verstärken?
  20. Wie lässt sich erklären, dass einige Menschen trotz belastender Lebensereignisse keine psychischen Störungen entwickeln, während andere bei gleichen Umständen erkranken?
  21. Wie könnte das Diathese-Stress-Modell helfen, personalisierte Behandlungsansätze für Patienten mit psychischen Störungen zu entwickeln? Welche methodischen Herausforderungen gibt es bei der Erforschung von Wechselwirkungen zwischen Diathese und Stress im Rahmen empirischer Studien?
  22. Welche Implikationen ergeben sich aus dem Diathese-Stress-Modell für die Prävention psychischer Störungen, und wie könnten präventive Interventionen gestaltet sein?
  23. Was wird in dem Stress-Eimer-Modell von Brabban & Turkington (2002) verdeutlicht?
  24. Aufgrund welcher Faktoren wird in dem Arbeitsmodell der Psyche zielgerichtetes Verhalten initiiert?

References

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