24  Psychotherapie - Outcome

Veröffentlichungsdatum

01/02/2025

Ergebnisqualität in der Psychotherapie bezieht sich auf das Ergebnisse des therapeutischen Vorgehens, d.h. z. B. auf den Gesundheitszustand oder die Funktionsfähigkeit.

Hier sind einige wichtige Aspekte der Ergebnisqualität:

Ergebnisqualität ist besonders im Gesundheitswesen wichtig, da in Deutschland die Solidargemeinschaft die Kosten der Gesundheitsversorgung trägt und das Wirtschaftlichkeitsgebot ein grundlegendes Prinzip in diesem System darstellt. Die Ergebnisqualität in der Psychotherapie ist auch ein wichtiger Faktor, wenn es um die Patientenzufriedenheit und die Reputation der Psychotherapie in der Gesellschaft geht.

24.1 Outcome-Forschung

Löwe et al. (2011) haben sich zum Ziel gesetzt, unter Bezug auf international vorhandene Systeme Dimensionen zu identifizieren, die zur Verlaufsmessung psychosomatischer und psychotherapeutischer Behandlung als wesentlich angesehen werden (siehe Abbildung 24.1).

Abbildung 24.1: Relevante Dimensionen zur Verlaufsmessung bei Psychotherapien

Abbildung 24.1 macht deutlich wie komplex die Erfassung der Ergebnisse einer Psychotherapie sein kann.

Unterschiedliche Perspektiven und Interessen

Bei der Erfassung des Ergebnisses einer Psychotherapie gilt es auch unterschiedlichen Perspektiven und Interessen zu berücksichtigen. Nicht nur der Patient beurteilt das Ergebnis einer Psychotherapie, sondern auch die Therapeuten, Gesundheitpolitiker, Angehörige und Leistungsträger. Die Interessen aller Beteiligten (“stakeholders”) stimmen nicht immer überein.

24.2 Ist Psychotherapie wirksam?

Die Wirksamkeit einer Psychotherapie kann von verschiedenen Faktoren abhängen, z. B. von der Art der Therapie, von der spezifischen psychischen Erkrankung, die behandelt werden soll, von den Fähigkeiten und dem Fachwissen des Therapeuten und von den individuellen Merkmalen der Person, die eine Therapie sucht etc. Insgesamt deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass eine Psychotherapie bei einer Vielzahl von psychischen Problemen wirksam sein kann.

Im Folgenden werden einige wichtige Punkte zur Wirksamkeit von Psychotherapie genannt:

  1. Wirksamkeit bei verschiedenen Störungen
    • Psychotherapie hat sich bei einer Vielzahl von psychischen Störungen als wirksam erwiesen, unter anderem bei Depressionen, Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Zwangsstörungen und Essstörungen.
  2. Vergleichende Effektivität
    • Verschiedene therapeutische Ansätze, wie die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) oder die psychodynamische Therapie, haben sich bei der Behandlung von Patienten mit bestimmten psychischen Störung als wirksam erwiesen. Teilweise wird argumentiert, dass die verschiedenen Psychotherapieverfahren alle gleich wirksam sind (Äquivalenz-Paradoxon oder Dodo-Bird Verdict).
  3. Kurzfristiger und langfristiger Nutzen
    • Eine Psychotherapie kann sowohl zu einer kurzfristigen Linderung der Symptome als auch zu langfristigen Verbesserungen der Funktionsfähigkeit und des Wohlbefindens führen. Die Vorteile reichen oft über das Ende der Behandlungszeit hinaus.
  4. Individuelle Unterschiede
    • Menschen sind unterschiedlich empfänglich für Psychotherapie. Faktoren wie Motivation, Bereitschaft zur Veränderung, die Erwartungshaltung und das Vorhandensein eines unterstützenden sozialen Netzes können die Wirksamkeit der Therapie beeinflussen.
  5. Kulturelle Sensibilität
    • Kulturell sensible und personenzentrierte Ansätze in der Psychotherapie sind unerlässlich, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund eingehen zu können.
  6. Prävention und Aufrechterhaltung
    • Psychotherapie wird nicht nur zur Behandlung psychischer Störungen eingesetzt, sondern kann auch wirksam zur Vorbeugung von Rückfällen und zur Erhaltung des psychischen Wohlbefindens beitragen, insbesondere bei chronischen Erkrankungen.
  7. Kombination mit Medikamenten
    • Bei bestimmten Erkrankungen kann eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten wirksamer sein als eine der beiden Behandlungen allein.

Zum Schluss soll noch darauf hingewiesen werden, dass die Frage “Ist Psychotherapie wirksam?” in dieser allgemeinen Form nicht wirklich beantwortet werden kann. In der Medizin kann die Frage “Ist das Medikament wirksam” auch nicht beantwortet werden. Vielmehr muss die Frage präzisiert werden: Welche Intervention ist bei welchem Patienten mit welcher psychischen Störung unter welchen Rahmenbedingungen in welcher Form wirksam?

24.3 Wirksamkeit der Psychotherapie bei Patienten mit einer depressiven Episode

Bitte behalten Sie im Gedächtnis, dass die Wirksamkeit der Psychotherapie in der allgemeinen Form (“Ist Psychotherapie bei der Behandlung von depressiven Patienten wirksam”) nur schwer zu beantworten ist.

Nichtsdestotrotz möchte ich am Beispiel der Behandlung von Patienten mit einer leichten depressiven Episode etwas zur Wirksamkeit schreiben. Um nicht die ganze verfügbare Literatur mit allen randomisierten kontrollierten Studien zu sichten, beschränke ich mit auf die Empfehlung der Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression und deren Literaturauswertung.

Beispielhaft findet sich in Abbildung 24.2 ein Auszug aus der Recherchedokumentation der Nationalen Versorgungsleitlinie Depression.

Abbildung 24.2: Auszug aus der Recherchedokumentation der Nationalen Versorgungsleitlinie Depression, S. 35

In der Recherchedokumentation der Leitlinie sind alle Studien aufgeführt, die bei der Entwicklung der Leitlinie ausgewertet wurden. Basierend auf der Auswertung der Studien gibt die Leitlinie Empfehlungen zur Behandlung von Patienten mit einer depressiven Störung.

Der Auszug aus der Recherchedokumentation soll deutlich machen, wie aufwändig und komplex es ist, evidenzbasierte Empfehlungen für die Behandlung zu geben (siehe Abbildung 24.3).

Abbildung 24.3: Empfehlung der NVL zur Behandlung von Patienten mit einer leichten depressiven Episode

24.4 Verständnisfragen

  1. Inwiefern spielen patientenspezifische Merkmale wie Alter, Geschlecht, kultureller Hintergrund oder Schwere der Symptomatik eine Rolle für den Therapieerfolg, und wie kann die Outcome-Forschung diese Variablen berücksichtigen?
  2. Wie kann die Langzeitwirkung von Psychotherapien zuverlässig evaluiert werden?
  3. Welche Kriterien müssen Messinstrumente in der Psychotherapie-Outcome-Forschung erfüllen, um als valide und reliabel zu gelten, und wie werden diese Eigenschaften in der Praxis überprüft?
  4. Wie wird sichergestellt, dass die eingesetzten Messinstrumente (z.B. Fragebögen, klinische Interviews) kulturell fair und für verschiedene Bevölkerungsgruppen geeignet sind?
  5. Welche Vor- und Nachteile haben selbstberichtete Messinstrumente (z.B. Symptomfragebögen) im Vergleich zu Fremdbeurteilungen durch Therapeuten in der Outcome-Forschung?
  6. Wie können neue Technologien wie digitale Tools, Apps oder Wearables die Erfassung von Therapieoutcomes verbessern, und welche Herausforderungen ergeben sich dabei hinsichtlich Datenschutz und methodischer Zuverlässigkeit?
  7. Welche Methoden und Instrumente eignen sich am besten, um das Therapieoutcome nicht nur symptombezogen, sondern auch im Hinblick auf Lebensqualität, soziale Funktionsfähigkeit und persönliches Wohlbefinden zu erfassen?
  8. Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Nachverfolgung (Katamnese) von Patienten über einen längeren Zeitraum?
  9. Wie begründen die Leitlinien der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) die Empfehlung, bei Patienten mit einer leichten depressiven Episode zunächst auf eine psychotherapeutische oder supportive Intervention zu setzen, anstatt direkt eine medikamentöse Behandlung einzuleiten?
  10. Welche spezifischen psychotherapeutischen Ansätze werden in den NVL-Leitlinien für die Behandlung von leichten depressiven Episoden empfohlen?
  11. Wie berücksichtigen die NVL-Leitlinien patientenindividuelle Faktoren wie beispielsweise Komorbiditäten, persönliche Präferenzen oder soziale Unterstützung bei der Empfehlung von Behandlungsstrategien für leichte depressive Episoden?
  12. Nennen Sie drei Faktoren, die die Wirksamkeit einer Psychotherapie bei Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit beeinflussen können.
  13. Nennen Sie drei Faktoren, die die Wirksamkeit einer Psychotherapie bei Kindern mit einer ADHS beeinflussen können.
  14. Nennen Sie drei Faktoren, die die Wirksamkeit einer Psychotherapie bei Erwachsenen mit einer depressiven Episode beeinflussen können.

References

Löwe, B., Rose, M., Wahl, I., Andreas, S., Dinkel, A., Forkmann, T., Franke, G., Huber, D., Rabung, S., & Sattel, H. (2011). Psychometrie und Psychodiagnostik in Psychosomatik, Psychotherapie und Medizinischer Psychologie. PPmP - Psychotherapie · Psychosomatik · Medizinische Psychologie, 61(07), 334–336. https://doi.org/10.1055/s-0031-1276853